Kategorie: Befragung und Analyse

Befragung und Analyse

25 Jahre IBG. Wie das Thema Gesundheit in die Welt der Arbeit kam 1

Unsere Expert:innen

„Wir sind die Pioniere, wenn es um betriebliches Gesundheitsmanagement geht. Mit unserem großartigen Team aus Expert:innen sämtlicher Professionen, unseren zertifizierten Prozessen und Betriebsambulanzen bringen wir Gesundheit und Arbeit in Übereinstimmung. Wir wissen, dass Produktivität und Wohlbefinden keine Gegensätze darstellen.“

IBG Bereichsleiter

Hybrid-Office: Gemeinsam

Wie bei allen Themen finden wir auch beim Home-Office zwei Seiten einer Medaille. Der soziale Kontakt mit den Kolleg:innen und auch zur Führungskraft hat sich als sehr wichtig gezeigt, neben einem großen Wunsch der Mitarbeitenden Homeoffice beizubehalten.

Bei der Frage nach dem idealen Home-Office-Modell kommt wie aus einem Munde: »Ein bis zwei Tage im Büro, um auch meine Kolleg:innen zu sehen«. Home-Office oder besser gesagt Hybrid-Office wird dort, wo es gelebt werden kann, voraussichtlich auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen und ist gekommen, um bleiben zu dürfen. Sämtliche Möglichkeiten virtuelle Zusammengehörigkeit und Teamarbeit trotz »Distanz« zu schaffen, werden damit immer schlagender.

Um die Auswirkungen und auch die aktuelle Situation in den Unternehmen sichtbar zu machen, haben sich viele Unternehmen trotz anhaltender Pandemie dazu entschlossen, auch heuer mit IBG die Evaluierung der psychosozialen Belastungen durchzuführen und dabei das neue IBG Home-Office Modul zu integrieren, das Unternehmen einen Überblick über erfolgreiche Zusammenarbeit und verbliebene Probleme von Teams oder Abteilungen gibt. Aufbauend auf diesen Ergebnissen können spezifische Herausforderungen aufgespürt, gelöst und das virtuelle Arbeiten nachhaltig optimiert werden.

Kommunikation und Zusammenarbeit

Die Ergebnisse des Home-Office-Moduls zeigen Ähnliches hinsichtlich der Dimension »Kommunikation und Zusammenarbeit«. Wie auch in der Literatur und in Studien immer wieder angeführt, hat sich auch bei diesen Befragungen der soziale Zusammenhalt als ein wichtiges gesundheitsförderndes Potential gezeigt. Der Wegfall von informellen Kontakten zu Kolleg:innen und Führungskräften birgt das Risiko der Vereinsamung sowie ein abnehmendes Team-Gefühl. Das hat sich sehr deutlich als übergreifendes Thema gezeigt.

Neben der Tatsache, dass die Produktivität und Arbeitseffizienz der Mitarbeiter:innen im Homeoffice nicht leidet – ganz im Gegenteil, aber eben sehr wohl der Zusammenhalt und auch die Konfliktlösungen. Das gilt es bei der Gestaltung von Homeoffice-Konzepten zu bedenken, damit die gebotenen Chancen (z.B. fokussierteres, ruhigeres Arbeiten; Nutzen der eigenen leistungsfähigen Tageszeiten) gut genutzt und die Risiken minimiert werden können.

Die Mitarbeiter:innen haben in den persönlichen Rückmeldungen immer wieder erwähnt, dass der Austausch mit den Kolleg:innen am Kaffeeautomaten, ein »Pläuschchen« über das Wochenende und spontane Begegnungen fehlen und sich Maßnahmen gewünscht bzw. positiv hervorgehoben, die teamstärkend wirken und das Miteinander und Gespräche fördern, wie z.B. virtuelle Pausenräume, vereinbarte Zeiten für informellen Austausch (z.B. auch nach einem Meeting oder get together 1x/ Woche, 1/2h) oder virtuelle Mittagspausen – wichtig dabei war die Kombination von digital und Präsenz im Büro.

Der kreative Austausch

Neben der Zusammenarbeit, den informellen Kontakten und der Stimmung im Team wurde auch der kreative Austausch bei allen Unternehmen als negativer beschrieben. Eine Idee skizzieren, ein Scribble anfertigen, Design-Vorschläge besprechen und anpassen etc. geht dank Screen-Share-Funktion auch im Videochat sehr gut.

Aber: kreative Zusammenarbeit wird durch das Beisammensein im selben Raum oft als viel fruchtbarer erlebt. Auch wenn mehrere Personen zeitgleich am selben Projekt arbeiten, kann Homeoffice den Austausch verkomplizieren. Die Kolleg:innen mal eben schnell um ihre Meinung fragen funktioniert besser, wenn man sich im selben Raum aufhält und nicht erst darauf warten muss, dass er oder sie ans Telefon geht oder zurückschreibt.

Ebenso funktionieren Diskussionen auf diese Art und Weise besser – nonverbale Signale werden besser wahrgenommen und verraten wie die einzelnen Personen auf Vorschläge oder Aussagen reagieren. Diese möglichen Grenzen zeigen wieder die Wichtigkeit des technischen Equipments (Fokus auf Qualität; Verfügbarkeit entsprechender CloudLösungen und Chatrooms sowie verschiedene virtuelle Meeting-Tools), von Erreichbarkeitsvereinbarungen und auch Meeting-Strukturen und Konzepten nach einer hybriden Arbeitsweise auf. Natürlich spielen bei all diesen Themen auch die Mitarbeiter*innen-Typen eine wesentliche Rolle – Menschen sind unterschiedlich.

Hybrid-Office als neue Arbeitsform

Dazu werden intensivere Kommunikation, Vertrauen, klar definierte Ziele, eine neue Meeting-Kultur und ein »neues« Führungsverständnis notwendig sein. Auch der Arbeitsplatz vor Ort wird sich dadurch verändern. Neben Desk-Sharing-Konzepten (dem Teilen von Arbeitsplätzen), braucht es Wohlfühlräume, Kommunikationsinseln, Brainstorming-Stationen, aber auch ruhige, abgeschottete Plätze, an denen konzentriertes Arbeiten möglich ist. Um die Unternehmenskultur positiv zu beeinflussen ist es wichtig an den Präsenztagen verstärkt darauf zu achten, Unternehmenskultur und Werte zu vermitteln und damit an der Bindung der Mitarbeiter*innen zu arbeiten. Denn Unternehmenskultur findet im Unternehmen statt.

Foto von Ivan Samkov von Pexels

Die neue Human Works

Die aktuelle Human Works, Zeitung für nachhaltiges Arbeitsvermögen, steht ab sofort zum Download zur Verfügung. Diese Ausgabe beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema Hybrid-Office, der neuen Arbeitsform, bei der trotz Homeoffice der soziale Kontakt und Austausch nicht auf der Strecke bleiben.

Weitere Beiträge:

  • Die Arbeit auf einer COVID-Station – ein Erfahrungsbericht
  • Brustkrebsvorsorge, sollte trotz Pandemie und Lockdown nicht vernachlässigt werden
  • Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung hilft Belastungen im Stützapparat reduzieren
  • Humor, eine Kraftquelle, die man nicht genug schätzen kann
  • Lehrlingsprogramme: Persönlichkeitsentwicklung von Lehrlingen
  • praktische Tipps für das Immunsystem
  • Best Practice Beispiel aus Österreich diesmal:
    UniCredit Bank Austria, Stadtgemeinde Baden

personal manager

In rauer See.

Autorin/ Expertin: Ina Lukl

IBG Arbeitspsychologin und Leiterin des Bereichs Betriebliche Gesundheitsförderung und Generationenbalance schreibt in der März Ausgabe des personal managers  ausführlich darüber, was Betriebliche Gesundheitsförderung in Pandemiezeiten leisten kann. Sie lässt die vergangenen Monate Revue passieren und gibt einen Ausblick in die Zukunft. Eine Checkliste für Maßnahmen zur Gesundheitsprävention in der Krise fasst nochmal alle wesentliche Punkte zusammen.

Zum Beitrag (Seite 13)

 

IBG beim 6th World Congress on Health Economics 

IBG Gesundheitsökonom Roland Polacsek-Ernst wurde eingeladen, am 7. und 8. Oktober 2020 seine jüngsten Forschungsergebnisse beim 6th World Congress on Health Economics, Health Policy and Healthcare Management zu präsentieren.

Die Themen der zwei Präsentationen lauten:

 »The Impact of Psychosocial Risk Reduction on Sickness Absence Days: Structural Equation Model Analysis« und

»Psychosocial Risk Reduction and Increase of Revenue per Employee«

Die Konferenz hätte eigentlich in Wien stattfinden sollen. Aber aufgrund der aktuellen Covid19-Entwicklungen erfolgt die Präsentation im Rahmen eines Webinars.

“Isolation im Homeoffice ist eine ernsthafte psychische Bedrohung“

Arbeit in den eigenen vier Wänden ist kein Heilmittel ohne Nebenwirkungen.

Wien (OTS) – Arbeitsministerin Christine Aschbacher hat heute die Eckpunkte eines anstehenden Homeoffice-Gesetzes vorgestellt. Arbeitspsychologe und IBG-Geschäftsführer Gerhard Klicka weist in einem Interview darauf hin, dass Arbeit im Homeoffice von einer Vielzahl an unmittelbaren gesundheitlichen und psychischen Auswirkungen begleitet wird.

Psychische Belastung

Fragen des ArbeitnehmerInnenschutzes und der Arbeitszeitregulierung sind unter den Bedingungen des Homeoffice nur mehr schwer nachvollziehbar. Daher sollten im Regelbetrieb nicht mehr als zwei Homeoffice-Tage pro Woche eingeplant werden.

ArbeitnehmerInnen für eigenen Arbeitsplatz verantwortlich

Familiäre und wohnliche Rahmenbedingungen der ArbeitnehmerInnen werden im Homeoffice zu tragenden Parametern der Arbeitswelt. Laut Klicka bedeutet dies, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin für die eigene Arbeitsumgebung zuständig werde. Die Verantwortung der ArbeitgeberInnen für die Arbeitsbedingungen werde auf die MitarbeiterInnen übertragen – mit allen Konsequenzen für Gesundheit und Unversehrtheit der Belegschaft.

Teamwork versus Einzelkämpfer

Homeoffice verlangt eine neue Führungskultur. Gerhard Klicka weist darauf hin, dass gute Teamarbeit immer effizienter ist als die Summe von Einzelprojekten. Maßnahmen wie Projektsteuerung und Evaluierungen benötigen unter Homeoffice-Bedingungen umfassende Anpassungen.

Das Interview in voller Länge finden Sie hier.

IBG GmbH, gegründet 1995, ist mit über 165 MitarbeiterInnen, davon 70 ArbeitsmedizinerInnen, Österreichs größte Unternehmensberatung im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagement. IBG ist in ganz Österreich vertreten.

Ansprechpartnerin: Renate Ruhaltinger-Mader
M +43 (676) 38 49 022, Email presse@ibg.at I office@fabelhaft.biz

Dr. Gerhard Klicka

„Isolation im Homeoffice ist eine ernsthafte psychische Bedrohung“

Homeoffice wurde durch Corona zum fixen Bestandteil der neuen Arbeitswelt. IBG-Geschäftsführer Gerhard Klicka zeigt, wieso Themen der Gesundheit am Arbeitsplatz nicht unter die Räder kommen dürfen und warum ein eigenes Homeoffice-Gesetz wichtig ist.

 

Die Infektionszahlen steigen, die Wirtschaft kämpft mit den Auswirkungen der Pandemie. Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) will in den kommenden Septemberwochen erste Gespräche mit den Sozialpartnern über ein österreichisches Homeoffice-Gesetz starten. Brauchen wir in der Krise mehr Regulierung?

Dr. Gerhard Klicka: Wir reden von völlig neuen Arbeitsformen. Es ist an der Zeit, diesem Themenbereich auch einen gesetzlichen Rahmen zu geben. Corona hat die digitale Heimarbeit zu einem nicht nur fixen, sondern auch bedeutenden Bestandteil unserer Arbeitswelt gemacht. Ich halte es für wichtig, dass die Bedingungen definiert werden, unter denen diese Arbeit verrichtet wird.

Welche Positionen gehören aus arbeitsmedizinischer Sicht in das neue Gesetz?

Es gibt natürlich eine Unmenge an arbeitsrechtlichen Fragen wie Kosten und Kontrolle, Freiwilligkeit und Entgelt, Haftungsfragen oder Arbeitszeiteinteilung. Aus arbeitspsychologischer und aus Sicht der betrieblichen Gesundheitsvorsorge stehen vor allem verpflichtende Regelungen über Arbeits- und Ruhezeiten und Nachtarbeit im Vordergrund. Ist es normales Homeoffice, wenn die Mutter ihren Job erst nach dem Zubettgehen ihrer Volksschulkinder regelt? Wie kommt der Dienstgeber seiner Fürsorgepflicht unter den Bedingungen der Heimarbeit nach? Da gibt es viele wichtige Fragen. In der Firma wird regelmäßig kontrolliert, ob der Arbeitsplatz den Minimalanforderungen des Arbeitsschutzgesetzes gerecht wird. Fällt dies alles unter Homeoffice-Bedingungen weg? Ich denke, dass der Dienstgeber seinen Pflichten auch hier nachkommen muss.

Corona hat einen Ausnahmezustand erzeugt. Hat sich das Homeoffice-Konzept unter diesen Bedingungen bewährt?

Homeoffice hat sich während der Krise bewährt, weil es alternativlos war. Eine aktuelle Umfrage unseres Hauses zeigt, dass vor allem der Wegfall von Wegzeiten und das Ende des Pendelns am Positivsten erlebt werden. Auch die Autonomie über Arbeitszeit und Arbeitsort wurde von 79 Prozent der Befragten als „sehr positiv“ erlebt. Problematischer wird es bei den Punkten Selbstdisziplin und Eigenmotivation. Diese Punkte empfinden 30 Prozent der Befragten als zumindest „teil-problematisch“.  Aber es kommt in großem Maße darauf an, welche Arbeitsbedingungen man zu Hause vorfindet.

Kein Pendeln mehr: MitarbeiterInnen schätzen im Homeoffice die gesparte Fahrzeit.

Was ist damit gemeint?

Bei unseren Beobachtungen hat sich gezeigt, dass Arbeitnehmer in der Mehrheit lieber zur Arbeit ins Büro gehen als zu Hause ihren Job zu machen. Es ist aus unserer Sicht nicht so, dass sich eine überwältigende Mehrheit der ArbeitnehmerInnen begeistert an den Heimarbeitsplatz begibt. Ein Single, der ungestört zu Hause am Küchentisch bei gutem Wlan-Empfang seinen Laptop aufklappt, hat dazu eine andere Einstellung als das arbeitende Ehepaar in der Vierzimmerwohnung, das seine zwei Kinder im Homeschooling-Modus betreuen muss. Darum kann man das Konzept Homeoffice nicht pauschal beurteilen. Es gilt immer abzuschätzen, wie die eigenen Rahmenbedingungen aussehen. Wir haben bei unserer Umfrage festgestellt, dass vor allem die Betreuung schulpflichtiger Kinder in Kombination mit Homeoffice zu einer gänzlichen Überforderung geführt haben. Diese Arbeitnehmer sind froh, wenn sie wieder ins Büro kommen. Das hat sicher auch mit dem Wunsch nach Normalität zu tun.

Wie weit bestimmt Heimarbeit die Arbeitswelt von Morgen?

Homeoffice ist ein großer Einflussfaktor. Aber es wird die Zukunft von Arbeit nicht bestimmen. Wenn die Rahmenbedingungen bei den Arbeitnehmern passen, gehe ich davon aus, dass aus arbeitspsychologischer Sicht maximal zwei Homeoffice-Tage pro Woche vertretbar sind. Dafür müssen die Voraussetzungen stimmen: Die Schule ist wieder im Regelbetrieb, der Arbeitnehmer hat ausreichenden Wohnraum und kann sich auf seine Aufgaben konzentrieren.

Warum die starke zeitliche Einschränkung auf maximal zwei Tage?

Arbeit bedeutet soziales Leben. Für Personen, die nicht oder nur in einem sehr überschaubaren Familienverband leben, ist die Sozialisolation im Homeoffice eine ernsthafte psychische Bedrohung. Die Vereinzelung bei der Homeoffice-Arbeit ist nicht gesundheitsfördernd. Unser von der IBG entwickelte Human Works Index kann sehr zuverlässig das Leistungsvermögen eines Mitarbeiters oder Mitarbeiterin feststellen. Dabei werden Parameter wie Arbeitsbewältigung, Sinnfindung, Zusammenarbeit oder Führungskompetenz vernetzt. All diese Faktoren spielen unter Homeoffice-Bedingungen keine Rolle. Erfolgserlebnisse und Sinngebung von Arbeit bleiben aus naheliegenden Gründen auf der Strecke. Es ist niemand da zum Schulterklopfen. Sinnfindung und Wertschätzung, zwei zentrale Elemente der Arbeitszufriedenheit, gehen dadurch verloren. Dieser Aspekt spielt übrigens auch eine große Rolle im Bereich der älteren Arbeitnehmer.

Warum das?

Ältere Arbeitnehmer haben zusehends ihre Stärken im Bereich der Erfahrung und sozialen Kompetenz. Für den Erfolg eines Teams und eines Unternehmens sind derartige Werte enorm wichtig. Keine Abteilung mit ausschließlich jungen MitarbeiterInnen erzielt so gute Ergebnisse wie ein gut durchmischtes Team. In unserem Beratungsansatz des Human Quality Managements lässt sich dies sehr anschaulich nachweisen. Es ist Fakt, dass Homeoffice das ziemliche Gegenteil von Teamarbeit darstellt. Unter diesen Bedingungen tragen derartige Kompetenzen nur geringe Früchte. Es gibt den schönen Spruch, wer nicht zusammen feiern kann, kann nicht zusammenarbeiten. Zahllose Studien zeigen, dass das Kollektiv immer effektiver ist als die Summe der Einzelkämpfer. Der soziale Zusammenhalt in einem Unternehmen hat zudem ein wichtiges gesundheitsförderndes Potential. Beim Konzept Homeoffice fällt das alles weg. Diese Konsequenzen von Homeoffice gilt es in der Gesetzgebung und im Unternehmensmanagement zu berücksichtigen.

Präsentismus nennt man die Entwicklung, dass sich halbkranke MitarbeiterInnen in den Job schleppen, ohne wirklich Leistung erbringen zu können. Ist das Thema in Zeiten von Heimarbeit erledigt?

Wir haben im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements in den letzten Jahren bemerkt, dass das Phänomen des Präsentismus deutlich zugenommen hat. Die Angst um den Job, Angst die Arbeit nicht erledigen zu können, Angst sich den Unmut der Kolleg:innen zuzuziehen, das alles hat Mitarbeiter:innen zunehmend veranlasst, halbkrank oder krank ins Büro zu gehen. In Zeiten von Covid wurde diese vorher schon schlimme Entwicklung endgültig zum No-Go. Beim Homeoffice verschiebt sich das Problem in die eigenen vier Wänden, ohne dass es verschwindet.

Was bedeutet das für ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen?

Der Mitarbeiter arbeitet krank von daheim weiter. Krankheiten werden übergangen und enden dann in deutlich längeren Krankenständen, in denen gar nichts mehr geht.  Der Betroffene und der Dienstgeber sind gleichermaßen geschädigt. Hier braucht es eindeutige Krankenstandsregelungen.

Homeoffice
Unter Homeoffice-Bedingungen steigt das Gefühl einer verbesserten Selbstbestimmung.

Wie kann eine Krankenstandsregelung beim Homeoffice aussehen?

Nicht anders als bei Präsenzarbeitsplätzen. Das bedeutet: Krankmeldung beim Arzt, Meldung in die Firma und ab ins Bett. Im Homeoffice ist die Gefahr sehr groß, dass sich MitarbeiterInnen trotz Grippe, Corona etc. doch an den Heimarbeitsplatz schleppen. Diese Form des Präsentismus belastet alle und bringt keine Ergebnisse.

Wie muss das Management mit diesen Entwicklungen umgehen?

Wir haben in unserem Tätigkeitsfeld schon vor längerer Zeit einen Kulturwandel beobachtet. Nach meiner Erfahrung haben Arbeitgeber es nie gern gesehen noch verlangt, dass Mitarbeiter mit Schnupfen, Husten und Infekten in die Arbeit kommen. In Covid-Zeiten geht das sowie so nicht. Zudem belegen Studien, dass die Gesamtkosten für Präsentismus die betriebswirtschaftlichen Ausfälle durch Krankenstände um ein Vielfaches übersteigen. Wer krank in die Arbeit geht, kann sich in dieser Zeit nicht auskurieren. Die eingeschränkte Einsatzfähigkeit vermindert die Arbeitsqualität, erhöht die Fehleranfälligkeit und die Anzahl von Unfällen. Früher oder später bleibt man dann meistens doch zu Hause – vielleicht sogar länger. Die Krankheitskosten im Unternehmen steigen dadurch deutlich – manche Studien sprechen von bis zu dem doppelten Wert des ursprünglichen Ausfalles.

Welche Rolle spielen die Chefs und Chefinnen?

Eine sehr große. Die Führungskraft muss auf die Mitarbeiter einwirken und vorleben, dass Urlaub Urlaub ist, und Krankenstand Krankenstand bleibt. Dabei gibt es keinen Laptop und kein Handy. Die Vorbildwirkung des Chefs gerade in familiengeführten Unternehmen ist dabei nicht immer die beste. Da wird gearbeitet bis zum Umfallen- sprichwörtlich.

Wann beginnt ein gerechtfertigter Krankenstand?

Es gibt Befindlichkeiten, die noch keine Krankheiten sind und trotzdem ernst genommen werden müssen. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel die Kollegin mit Menstruationsbeschwerden zu Hause bleibt, oder dem Kollegen die Augen auf Grund von Heuschnupfen überquellen. Man fühlt sich nicht arbeitsfähig und es ist besser, zu Hause zu bleiben als sich herumzuschleppen. Wir raten aber Unternehmern, sich die Krankenstandverläufe übers Jahr anzuschauen. Wenn viele Krankenstände zusammenkommen, muss mit dem Mitarbeiter ein Gespräch geführt werden. Haben die Krankenstände mit dem Job zu tun, fühlt er sich überarbeitet, gibt es Gründe, dass vor allem montags zu Hause geblieben wird? Jeder Arbeitgeber tut gut daran, seine eigene Rolle bei den Krankenstandsmeldungen zu hinterfragen, aber auch dem Mitarbeiter seine Mitverantwortung zu signalisieren. Nie ist einer allein schuld.

Steigert die Pandemie den Wert von Gesundheit am Arbeitsplatz?

Der Corona Virus ist das eine. Da hat die Politik gesagt: Mensch geht vor Wirtschaft. Das hat jeder kapiert. Ich glaube aber nicht, dass durch den Virus ein Bewusstsein entwickelt wurde, das Mitarbeitern weniger Stress zumutet. Es wird alles getan, durch Plexiglas-Platte, Maske und Arbeitsorganisation die Pandemie im Griff zu behalten. Aber dass man die Gesundheit der Mitarbeiter mehr wertschätzt als bisher, das glaube ich leider nicht.

 

Gerhard Klicka | IBG GeschäftsführerDr. Gerhard Klicka

Der promovierte Psychologe Gerhard Klicka startete bei IBG im Jahr 2001, kam ab 2004 in die Geschäftsführung von IBG und ist seit 2006 alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Klicka ist Unternehmensberater und ausgebildeter klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut (VT) und Arbeitspsychologe.

Diversity-Management der TU Wien

Nach den Befragungen 2010 und 2014 wurden 2019 die Weiterentwicklung der TU Wien neuerlich evaluiert. Im Zusammenhang mit dem Gewinn des Diversitas Preises des Bundesministeriums für Bildung Wissenschaft und Forschung 2016 wurde der Fragebogen damals um ein Diversity-Modul ergänzt. Die sehr guten Ergebnisse bestätigen, dass die Arbeit des TU Diversity-Managements nicht nur extern anerkannt wird, sondern vor allem auch intern Wirkung zeigt.

Diversity-Modul

Ausgangspunkt für die Befragung war das Diversity Modul, das Bereichsleiter Polacsek-Ernst bereits 2008 entwickelt und seither in zahlreichen Projekten eingesetzt hat. Darauf aufbauend wurden die Fragen mit einem Team von Expert:innen der TU Wien weiterentwickelt. Schwerpunkte im Modul waren Handlungsbedarf zur Förderung der Vielfalt an der TU, Diskriminierung und sexuelle Belästigung. Neben der persönlich erlebten Diskriminierung oder Belästigung wurden auch beobachtete Vorfälle erfragt und konnten von den Betroffenen qualitativ beschrieben werden.

TU Diversity-Management

Das TU Diversity-Management fördert die Auseinandersetzung mit Vielfalt und Ungleichheit und sensibilisiert sowohl Mitarbeiter:innen als auch Studierende für unterschiedliche Lebensphasen und- formen und Karrierewege. Auch der Abbau von strukturellen Barrieren ist Ziel. Insgesamt soll eine positive Gesamtatmosphäre geschaffen werden, in der die Potenziale von Diversity sichtbar, erlebbar und nutzbar gemacht werden, siehe dazu auch https://www.tuwien.at/tu-wien/organisation/zentrale-services/personalentwicklung/diversity-management/.

Ergebnisse

Die Ergebnisse des Diversity-Moduls zeigen, dass die TU diesen Zielen schon sehr nahe gekommen ist. Sowohl von Studierenden als auch Mitarbeiter:innen wird kaum Handlungsbedarf zur Verbesserung der Vielfalt gesehen. Bei den Fragen zur Diskriminierung wurden erfreulicherweise insgesamt selten Fälle gemeldet. Zur sexuellen Belästigung gab es vereinzelte aber dafür spezifische Hinweise. Insgesamt verwiesen die Rückmeldungen auf einzelne Vorfälle in wenigen Bereichen, die strukturell sehr gut aufgegriffen werden können.

Die Vizerektorin Personal und Gender der TU Wien, Anna Steiger, meint dazu: „Die sehr guten Ergebnisse bestätigen unsere Bemühungen um mehr Vielfalt und Chancengleichheit an der TU und motivieren uns auch noch die in einzelnen Instituten verbliebenen Themen anzugehen.“

 

 

 

Neuer Buchbeitrag zu psychischen Belastungen in der Arbeitswelt

Der zunehmende Leistungs- sowie Konkurrenzdruck in der Arbeitswelt zeigt deutliche Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen. Österreichische Unternehmen sind aufgrund des Arbeitnehmerschutzgesetzes dazu verpflichtet, psychische Belastungen am Arbeitsplatz möglichst gering zu halten sowie kontinuierlich zu evaluieren. Dennoch ist die Überlastung am Arbeitsplatz für viele ein ständiger Begleiter. Zu dieser Thematik ist kürzlich in dem Buch „Intensivierung der Arbeit. Perspektiven auf Arbeitszeit und technologischen Wandel“ ein Kapitel von IBG Experten und Gesundheitsökonom, Roland Polacsek-Ernst veröffentlicht worden. Unter dem Titel „Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit im Zusammenhang mit Arbeitsintensivierung“ beleuchtet der Arbeitspsychologe sowie Gesundheitsökonom gemeinsam mit Anton Riedel die Ergebnisse einer Studie mit 16.626 Beschäftigten aus knapp 100 Unternehmen in Österreich.

Weitere Informationen zum Buch „Intensivierung der Arbeit“

Internationalität in Zeiten Coronas

Eigentlich war geplant, dass IBG Gesundheitsökonom Roland Polacsek-Ernst kommende Woche nach Athen reist. Doch Corona hat vieles geändert. So wird das für 22. bis 25. Juni geplante Symposium »Annual International Conference on Health Economics, Management & Policy«, des internationalen Veranstalters ATINER als Telekonferenz abgehalten werden. Roland Polacsek-Ernst wird die Untersuchungsergebnisse zum Thema » Sickness Absence Cost Reduction in 25 Companies, Related to Psychosocial Risk Management Interventions« präsentieren, persönlich jedoch virtuell.

 

 

Arbeitswelt

Postvirale Arbeitswelt: So lernen Unternehmen aus Corona

Die Pandemie hat binnen Tagen zu einer neuen Arbeitswelt geführt. Für viele Arbeitnehmer wurde „New Work“  mit einem Schlag Realität.  Über die Nachhaltigkeit der erzwungenen Einführung von Homeoffice und Videokonferenzen wird – nach Corona – entscheiden.

Können digitale Arbeitsformen für das Unternehmen eben so viel leisten wie Großraumbüro und Gruppenbesprechung? Österreichs größter betrieblicher Gesundheitsdienstleister IBG evaluiert die Effizienz von digitalen Arbeitsprozessen und untersucht die Nachhaltigkeit von Arbeit 4.0.

Zwang zu neuer Arbeitswelt

Der Tag der Arbeit wurde 2020 per Videobotschaften und Online-Versammlungen begangen. Die Pandemie befördert das symbolträchtige Datum des 1. Mai auf ihre ganz eigene Weise ins digitale Zeitalter. Der Arbeitswelt bleibt keine Wahl: Covid -19 drängt die Menschen schneller als gedacht in eine neue Ära: In Europa ersetzen Videochats zahllose Businessflüge und auf der ganzen Welt verlagert sich ein Gutteil von Arbeitsvolumen ins Homeoffice. Unzählige neue Formen der Zusammenarbeit wurden angestoßen. Keine Gesellschaft kann dem Druck widerstehen: Covid-19 erzwingt neue digitale Umgangsformen für alle menschlichen Beziehungswelten. Mag. Roland Polacsek-Ernst, IBG-Bereichsleiter sowie Arbeits- und Organisationspsychologe, beobachtet eine starke Verunsicherung in den Unternehmen: „Viele Entscheidungsträger verfügen bei den neuen Arbeitsmodellen über eine gehörige Portion Skepsis. Jetzt geht es darum, Veränderungen festzuhalten und Erfahrungen zu evaluieren, bevor diese wieder im Business-as-usual verschwinden.“

Flexible Arbeitsgestaltung

Die Verlagerung von Arbeit in die eigenen vier Wände ist eine der breitenwirksamsten Effekte von Corona. Laut einer Umfrage von TQS Research & Consulting arbeiten seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen 24 Prozent der ÖsterreicherInnen  von zu Hause aus. Das Feedback seitens der MitarbeiterInnen ist dabei sehr gut: 7 von 10 Beschäftigten, die jetzt im Homeoffice tätig sind, wollen diese Möglichkeit künftig auch verstärkt nutzen. Sie schätzen ihre Produktivität im Homeoffice sogar als höher ein als im Unternehmen.

Grundlagen für „New Work“

IBG-Analyst Roland Polacsek-Ernst beobachtet „eine einmalige Chance für Unternehmen, den Stärken und Schwächen von flexiblen und eigenverantwortlichen Arbeitskonzepten auf den Grund zu gehen.“ Die Idee von „New Work“ mit variabler Präsenz, hoher digitaler Vernetzung, starker Anpassungsfähigkeit und weitreichender Selbständigkeit wird derzeit – gleichsam im Echtversuch – in vielen Unternehmen umgesetzt. Jetzt sei es an der Zeit, „über Evaluierungen die richtigen Schlüsse zu ziehen.“ Nur geeignete Messinstrumentarien liefern den Führungskräften die Fakten für die notwendige Weichenstellung. Roland Polacsek-Ernst und IBG können bei online-gestützten Produktivitäts-Evaluierungen auf einen weiten Erfahrungsschatz verweisen. Denn eines ist gesichert: Die Arbeitswelt wird nach Corona nicht mehr dieselbe sein.

Skepsis nicht beseitigt

Offen bleibt, wie weit die Zurückhaltung von breiten Kreisen unter den Führungskräften gegenüber der Arbeit im Homeoffice beseitigt werden konnte. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Erfahrungen der Pandemie den Hang zur Präsenzarbeit nur teilweise ersetzen konnten. Laut einer Umfrage des ÖPWZ hat die Mehrheit von 75 befragten Unternehmen das Abenteuer Homeoffice mit 4. Mai beendet.