Seit 2019 ist Dr. Sigrun Märk-Zeindl Teil des IBG-Teams. Ursprünglich aus der Allgemeinmedizin kommend, hat sie ihren beruflichen Schwerpunkt in den vergangenen Jahren zunehmend in der Arbeitsmedizin gefunden – eine Entscheidung, die, wie sie sagt, „eigentlich der Zufall“ getroffen hat.
Liebe Sigrun, was hat dich ursprünglich dazu bewegt, den Weg in die Arbeitsmedizin einzuschlagen?
Dr.in Sigrun Märk-Zeindl: In meiner Turnusausbildung hat Heinz Fuchsig einen Vortrag über Arbeitsmedizin gehalten. Das war mein erster Kontakt mit dem Fach. Im Studium ist das Thema ja kaum präsent. Der Vortrag war so mitreißend, dass ich mir dachte: „Das klingt spannend, das könnte man vielleicht später mal machen.“
Gemeinsam mit Kolleginnen absolvierte ich schließlich die Ausbildung – ursprünglich als Ergänzung zur Praxis. Durch die Tätigkeit in der allgemeinen Medizin bekommt man automatisch einen anderen Blick auf arbeitsmedizinische Themen. Wenn Patient:innen mit Rückenproblemen oder Belastungsbeschwerden kommen, sieht man die Zusammenhänge anders.
Richtig Fahrt nahm alles während der Corona-Pandemie auf. Da rückte die Arbeitsmedizin plötzlich in den Vordergrund, während die Allgemeinmedizin wegen der eingeschränkten Patientenkontakte fast zum Erliegen kam. Ich habe dann viel mehr in der Arbeitsmedizin gearbeitet – und gemerkt, wie sehr mir das liegt.
Seit wann bist du für IBG tätig?
Seit 2019 bin ich bei IBG. 2022 habe ich die Standortleitung in Kundl übernommen. Anfangs habe ich beides parallel gemacht, also die Arbeit in der Klinik und bei IBG. Wenn man jedoch eine Leitung übernimmt, muss man sich entscheiden. Ich habe mich für die Arbeitsmedizin entschieden, da sich dadurch neue Perspektiven eröffneten: Organisation, Management, Teamarbeit. Das ist wieder eine ganz andere, spannende Welt.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Langweilig wird’s nie, lacht Sigrun. Von gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen über Seh- und Lungenfunktionstests, Ergometrie- und Laboruntersuchungen bis zu psychischen Beratungen oder Erste-Hilfe-Einsätzen – der Tag ist bunt. Und dann kommt noch der betriebliche Teil dazu: Wir sind in der Produktion, schauen uns Arbeitsplätze an, beraten zu den Themen Ergonomie, Schichtarbeit oder Wiedereingliederung. Es ist unglaublich vielfältig.
Gibt es spezifische Themen, die in der Region Kundl besonders relevant sind?
Unser Team betreut im Tiroler Unterland rund 7.000 Mitarbeiter:innen , vor allem aus der Pharmaindustrie, darunter Novartis und Sandoz. Ein besonderer Bereich sind die Untersuchungen nach dem Arzneimittelgesetz – das ist eher selten in Österreich. Da geht es um Produktsicherheit, also darum, dass keine Infektionen auf Medikamente übertragen werden. Das ist ein spannendes Spezialgebiet.
Mit welchen Herausforderungen wirst du mit deinem Team aktuell am häufigsten konfrontiert?
Was wir deutlich merken, sind psychische Belastungen – sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Wirtschaftlicher Druck, Stress und Veränderungen in den Betrieben belasten die Menschen. Ergonomie ist ebenfalls ein Dauerbrenner, genauso wie Schichtarbeit und ihre Auswirkungen. Und dann sind da natürlich Wiedereingliederungen oder die Unterstützung für ältere Mitarbeiter:innen. Das sind wichtige Themen, die uns täglich beschäftigen.
Corona als Wendepunkt – und neue Wertschätzung
Corona hat vieles verändert – auch die Wahrnehmung der Arbeitsmedizin:
Früher war es für viele ein lästiges Muss. Heute wissen viele, wie wichtig sie ist. Die Zusammenarbeit mit Sicherheitsfachkräften, Geschäftsführung oder dem Management ist enger geworden. Und Themen wie psychische Gesundheit oder Ergonomie werden viel ernster genommen.
Gibt es ein Projekt, auf das du besonders stolz bist?
Ja, auf ein kleines, aber wirkungsvolles Projekt: das „Fit-Testing“. Wir haben die Dichtigkeit von FFP3-Masken überprüft – gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen. Da hat man direkt gesehen, wie schnell man Bewusstsein schaffen kann. Es war ein Mini-Projekt, aber eines, das allen Spaß gemacht hat – und hoffentlich fortgesetzt wird. Auch das Thema Ergonomie liegt mir sehr am Herzen: Wir konnten hier die Stunden aufstocken und enger mit unseren Ergonom:innen zusammenarbeiten. Das freut mich sehr.
Welche Entwicklungen siehst du für die Zukunft der Arbeitsmedizin und was wünscht du dir für den Standort Kundl?
Ich hoffe, dass wir im Tiroler Unterland weiterwachsen und noch mehr Betriebe betreuen können. Gleichzeitig sehe ich Entwicklungen, die die gesamte Branche betreffen: Arbeitsmediziner:innen sind Mangelware – da wird die Rolle der arbeitsmedizinischen Fachassistenz sicher wichtiger. Digitalisierung und KI werden ebenfalls eine Rolle spielen. Und das Thema altersgerechtes Arbeiten wird uns stark beschäftigen, gerade wenn das Pensionsalter steigt.
Was möchtest du jungen Kolleg:innen oder Interessierten an der Arbeitsmedizin weitergeben?
Ich würde jungen Ärzt:innen raten: Habt keine Scheu, probiert es aus. Die Arbeitsmedizin ist unglaublich vielfältig – von Büroarbeitsplätzen über Baustellen bis zur Produktion. Man kann viel medizinisches Wissen einbringen, arbeitet interdisziplinär und hat trotzdem eine gute Work-Life-Balance. Keine Nachtdienste, kaum Wochenendarbeit – das ist gerade für viele junge Ärztinnen interessant.
Und der Austausch mit Kolleg:innen ist mir besonders wichtig. In Tirol gibt es regelmäßige Qualitätszirkel über die Ärztekammer – geleitet wieder von Heinz Fuchsig, der mich damals überhaupt auf das Fach gebracht hat.
Dieser Austausch mit anderen Arbeitsmediziner:innen ist enorm wertvoll – man lernt immer etwas Neues.
Was ist ein Vorteil bei IBG zu arbeiten?
Ich arbeite gerne im Team. Bei IBG hat man viele Kolleg:innen mit Erfahrung, an die man sich wenden kann – das ist ein großer Vorteil. Manche wollen lieber allein arbeiten, das ist völlig in Ordnung. Aber ich mag das Gemeinsame, den Austausch. Das bereichert ungemein.“
Vielen Dank, liebe Sigrun, für das Gespräch und den inspirierenden Einblick in deinen beruflichen Alltag!