Kategorie: Arbeitsmedizin

Arbeitsmedizin

Rudolf Karazman | Personal Austria

Das sind die Gesundheits-Kosten des 12-Stunden Arbeitstages

Der Initiativantrag der Regierung will den 12-Stunden-Arbeitstag auf einfache Anordnung des Arbeitgebers ermöglichen. Die Gesundheitskosten steigen ab der 8. Arbeitsstunden exponentiell.

Die Regierung hat ihre Pläne für eine flexibilisierte Arbeitszeitgesetzgebung per Initiativantrag vorgestellt. Die Kernpunkte:

  • Die Höchstgrenze der Arbeitszeit wird auf zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche angehoben – und zwar auf alleinige Anordnung des Arbeitgebers. Derzeit ist das nur in Ausnahmefällen erlaubt.
  • Es ist vorgesehen ist, dass Arbeitnehmer Überstunden „aus überwiegenden persönlichen Interessen“ ablehnen können. Diese Möglichkeit besteht, wenn die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder eine Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird.
  • Die verordneten Überstunden kann man nur aus „überwiegenden persönlichen Interessen“ ablehnen. Empfindet der Arbeitgeber die Ablehnung als ungerechtfertigt, kann er Arbeitsverweigerung unterstellen und den Mitarbeiter entlassen. Es werden letztlich Arbeitsgerichte klären, ob das private oder betriebliche Interesse gewichtiger war.

Was als Arbeitszeit-Flexibilisierung diskutiert wird, gleicht im Initiativentwurf keiner Flexibilisierung, sondern einer – zumindest unter besonderen Konstellationen – Arbeitszeit-Verlängerung.

Reduktion auf 30h-Wochenarbeitszeit
Aus arbeitsmedizinischer Sicht ist eindeutig: Die gesundheitlichen Belastungen für den Arbeitnehmer werden durch das geplante Gesetz höher. Es fehlen die Wahlmöglichkeiten der MitarbeiterInnen und die entsprechende Erholungszeit. Der Verweis auf eine 4-Tage-Woche bei 40 Wochenarbeitsstunden ist dabei nicht ausreichend. All unsere Studien und Beobachtungen über 30 Jahre unterstreichen, dass regelmäßige 12-Stunden-Dienste aus gesundheitlicher Sicht mit einer 30 h Wochenarbeitszeit verbunden werden müssen.

Belastung steigt exponentiell
Als Facharzt für Arbeitsmedizin und auch als Unternehmer habe ich nicht den Eindruck, dass in der aktuellen Regierungsvorlage den sozialen und arbeitsmedizinischen Aspekten jener Raum eingeräumt wird, den diese benötigen. Die vorliegende Gestaltung des Themas „Arbeitszeitflexibilisierung“ kann auf längere Sicht nicht gut gehen, weil die menschliche Verausgabung mit der Arbeitsdauer steigt – und zwar exponentiell. Ohne entsprechend verlängerte Erholungszeit sind vorzeitige Arbeitsunfähigkeit, zunehmende Krankenstände, steigende Gesundheitskosten und vorzeitige Pensionierungen programmiert. Derartige Ausgleichsmaßnahmen fehlen in der Diskussion derzeit völlig. Es geht bei der Thematik nicht nur um geldwerte Balance.

Die Kosten fressen die Vorteile
Ich prognostiziere, dass der wirtschaftliche Vorteil der ausgedehnten Arbeitszeiten durch die verringerte Produktivität der zehnten oder 12. Arbeitsstunde zunichte gemacht werden wird – von den volkswirtschaftlichen Kosten einmal ganz abgesehen.

Bei Dauerbelastung unübersehbare Schäden
Die neue Arbeitszeitregelung erlaubt bis zu 13 Wochen mit 60 Stunden in Folge, bevor die EU-Beschränkung von 48h in 17 Wochen wirkt. Bisher waren unter erheblichen Auflagen – und daher sehr selten vorkommend – nur max. acht Wochen in Folge möglich. Auch die scheinen arbeitswissenschaftlich schon sehr problematisch. Unter günstigen Umständen – wenig belastende Arbeit, keine persönlichen Faktoren, die die Belastung intensivieren (z.B. Alter, Chronotyp), stressfreies Umfeld (z.B. Kinderbetreuung, …) – sind wahrscheinlich auch ein paar Wochen derartiger Arbeit vertretbar.
Fällt aber nur eine dieser günstigen Bedingungen weg, steigen die Belastungen rapide. Das gilt insbesondere bei Schichtarbeit. Einzelne zwölf-Stunden Schichten sind z.B. bei kurzfristigem Krankheitsausfall oder bei nicht risikoreicher Arbeit aus arbeitsmedizinischer Sicht vielleicht möglich. In vielen Fällen jedoch ist bereits eine Woche – insbesondere bei Nacht – oder gar viele Wochen hintereinander eine Ausdehnung der Schichtarbeitszeit als arbeitsmedizinisch sehr schlecht zu beurteilen (Schlafdefizite, Überlastung, soziale Schwierigkeiten, Unfallgefahr).

Keine Flexibilisierung für Mitarbeiter
Eine echte Flexibilisierung bietet den Mitarbeitern Wahlmöglichkeiten zwischen kurzen und längeren Diensten, zwischen gängiger und kürzerer WAZ, zwischen Normal-Urlaub und XXL-Urlaub. Echte Optionen für die Belegschaft sind DER Hebel, um Stress, Krankheit und Frühpension zu vermeiden und Produktivität und Qualität zu verbessern. Die Präferenz für eine Arbeitszeit-Form lässt die Arbeit leichter bewältigen, wie ich und meine Mitarbeiter in etlichen Untersuchungen nachweisen konnten.

Nicht noch mehr Arbeitsstunden
Eine Ausweitung der Arbeitszeit ist nach Möglichkeit zu verhindern. Gegenwärtig ist der Druck durch Rationalisierung und Optimierung die Arbeitsintensität schon beim bisherigen Arbeitstag meist an der Grenze. Die hohe Rate an Burn Out belegt dies. Eine nicht ausbalancierte Ausweitung des Arbeitstages erhöht das Risiko von Krankheit und Frühpension. In vielen Berufen ist eine kürzere Dienstzeit anzuraten, z.B. Intensiv-Krankenpflege, Nachtarbeit, ÖPNV-Fahrer, Lehrer.

12-Stunden Tag braucht 30-Stunden-Woche
Die Verausgabung steigt exponentiell mit der Dauer des Arbeitsalltages. Eine Ausweitung des Arbeitstags verlangt daher deutlich mehr Erholungszeit als Teil der sozial wirksamen Arbeitszeit. Eine Ausweitung des Arbeitstages muss durch gleichwertigen Zeitausgleich kompensiert werden. Regelmäßige 12-Stunden-Dienste sollten mit einer 30h WAZ verbunden werden. In die sozial wirksame AZ sind auch Wegzeit, Auf- und Abrüstzeit, Vorbereitung etc. miteinzurechnen, damit das wahre Ausmaß zeitlicher Anstrengung realistisch berechnet und genügend Regenerationszeit geplant werden kann.

Evaluierungen der Entwicklungen
Es braucht ein humanökologisches Monitoring des Arbeitsvermögens und der gesundheitlichen Qualität der Arbeitsprozesse, damit chronische Fehlanforderung und Stress, Krankheit, Frühpensionen und Produktivitätsverluste vermieden werden. Insbesondere Arbeitszeit-Veränderungen brauchen Mitsprache, Bewusstseinsbildung und Zustimmung sowie im ersten Jahr engere Evaluierung, um für Mitarbeiter wie Unternehmen gute Wege zu ebenen.

Funktionierende Beispiele
Ich habe viele Arbeitszeit-Flexibilisierungsprojekte in Österreichs Unternehmen begleitet. Heute arbeiten zehntausende Schichtarbeiter z.B. mit optionalen Schichtplänen, d.h. sie verfügen über eine Wahlmöglichkeit der Wochenarbeitszeit oder Dienstlänge. Dies bringt wirkliche Flexibilisierung:

  • voest-alpine/Stahl Linz
  • Agromelamin Linz (heute AMI Linz)
  • Polyfelt Gesosynthetics
  • Nettingsdorfer Papierfabrik
  • KAV Krankenanstaltenverbund Wien
  • Münchner Verkehrsbetriebe

Ich habe dazu mehrere Bücher und wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht:

  • Das Buch „Gesunde Arbeitszeiten im Pflegeberuf“ (Hg. Generaloberin Charlotte Staudinger (KAV) und Prof. Rudolf Karazman (IBG)) befasst sich mit der Gesundheitsverträglichkeit von 12-Stunden-Schichten und ihr Effekt auf Lebensqualität und Leistungsfähigkeit.
  • Die Beratungs-website www.arbeitundalter.at von IV, AK, ÖGB und WKO wurde von mir entwickelt und enthält viele evaluierte Fallbeispiele von AZ-Flexibilisierung.
  • Im Buch „Human Quality Management–Menschengerechte Unternehmensführung“ beschreibe ich Kriterien, Wege und Beispiele für gesundheitsfördernde AZ-Gestaltung.
  • div. wissenschaftlichen Publikationen

Dies sind Empfehlungen aus mehr als 20 Jahren wissenschaftlicher Arbeit und betrieblichen Praxisprojekten. Kurzsichtige betriebswirtschaftliche Maßstäbe reichen nicht, um der Ressource Mensch gerecht zu werden.

So bleiben Arbeitnehmer im Arbeitsprozess

  • Altersteilzeit sollte nur gleitend in Anspruch genommen werden dürfen, und nicht mehr als Block.
  • Statt Senioritätsprinzip oder Zulagen wäre eine Arbeitszeit-Reduktion gesundheitsverträglicher.
  • Statt Steuerbegünstigung für Überstunden sollte die Ausweitung des MA-Pools gefördert werden.
  • Die Zahl an Überstunden sollte mit 5h/Woche begrenzt sein.

Autor
Prof. Dr. Rudolf Karazman

IBG Auszeichnung BGF Gütesiegel OÖGKK Lindorfer

IBG-Kunde Kapsch erhält Auszeichnung.

Bereits zum 3. Mal wurde der Linzer Standort der Firma Kapsch mit dem Gütesiegel für Betriebliche Gesundheitsförderung ausgezeichnet. IBG hat das Unternehmen durch das Programm begleitet.

Die Kapsch-Gruppe hat bereits frühzeitig erkannt, dass sich präventive Investitionen in die Gesundheit ihrer Belegschaft bezahlt machen. Mitarbeiterbefragungen bestätigen, dass Belastung, Erholung und Wertschätzung in einem ausbalancierten Verhältnis gehalten werden. Das Gütesiegel für betriebliche Gesundheitsförderung wird von der OÖGKK für exzellente Gesundheitsarbeit verliehen.

 

Nachhaltige Maßnahmen

Die Kapsch BusinessCom AG ist mit einer Niederlassung am Standort Linz Leonding vertreten. Das Unternehmen unterhält in der oberösterreichischen Landeshauptstadt seit vielen Jahren ein engagiertes Gesundheitsförderungsteam, das IBG- Arbeitsmediziner Dr. Manfred Lindorfer berät.

Die BGF-Aktivitäten im Unternehmen sind ebenso umfangreich wie vielfältig:  Die Maßnahmen reichen von Gesundheitszirkel, sozialen und sportlichen Teamaktivitäten bis hin zu Fahrsicherheitstrainings. Dazu treten flankierende Aktionen wie „Woman at Kapsch“: Frauen vernetzen und fördern einander auf betrieblicher wie privater Ebene.

 

Das Lärmproblem in Großraumbüros

Eine große soziale und gesundheitliche Herausforderung, die letztendlich erfolgreich bewältigt werden konnte, war die Lärmentwicklung in den Großraumbüros. Jahrelang wurde versucht, dieses Problem mit kleineren Maßnahmen zu lösen wie zum Beispiel mittels eigener Telefonräume, wohin sich die MitarbeiterInnen zum Telefonieren zurückziehen konnten, bestimmte Verhaltensregeln oder Telefonzeiten. Das alles hat sich aber als unpraktikabel erwiesen.  Letztendlich entschied sich das Unternehmen für einen Umbau des gesamten Bürobereichs und einen Einbau von Schallschutzwänden. Das Gesundheitsteam zieht eine positive Bilanz: hier wurde ein guter Kompromiss gefunden zwischen der notwendigen und gewünschten Kommunikation und der Möglichkeit ungestört arbeiten zu können. Diese Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind wiederum die Voraussetzung für eine positive Entwicklung von Produktivität und Gesundheit.

 

 

Arbeit 4.0 Die Digitalisierung

Arbeitsmedizinische Versorgungslücken

Deutschland kämpft mit den gleichen arbeitsmedizinischen Problemen wie Österreich.

Deutsche Arbeitsmediziner warnen vor Versorgungslücken. Neue Arbeitsformen wie das Crowdworking und der zunehmende Trend zur Selbstständigkeit lässt beim Arbeits- und Gesundheitsschutz auf lange Sicht Lücken klaffen, warnt der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte in seinem Positionspapier „Arbeit 4.0 – Beschäftigungsfähigkeit langfristig und nachhaltig sichern“.

Knackpunkt der gegenwärtigen Rechtslage sei, „dass die Arbeitsschutzgesetzgebung immer auf der Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, den es in den neuen Beschäftigungsverhältnissen nicht mehr in dieser Form gibt. Mehr darüber hier

 

 

Arbeitsmedizin ohne Arbeitsmediziner?

In Österreich fehlen flächendeckend ArbeitsmedizinerInnen. Unternehmen können zunehmend nicht mehr im Rahmen des Arbeitnhmerinnenschutzgesetzes (ASchG) betreut werden, weil es an Fachpersonal fehlt. 

  • Immer mehr heimische Unternehmen können aus Mangel an Medizinern arbeitsmedizinisch nicht mehr betreut werden.
  • Gesetz zum Schutz der ArbeitnehmerInnen ist zunehmend unvollziehbar
  • Industrieland Oberösterreich besonders stark betroffen

In Österreich fehlen flächendeckend ArbeitsmedizinerInnen. Unternehmen können zunehmend nicht mehr im Rahmen der Arbeitnhmerinnenschutzgesetzes (ASchG) betreut werden, weil es an Fachpersonal fehlt. Das Industrieland Oberösterreich ist davon bereits stark betroffen. Auch in Vorarlberg und Tirol ist der Notstand akut.

Kündigungen

„Wir müssen Unternehmen kündigen, weil wir sie aus Personalmangel nicht mehr arbeitsmedizinisch betreuen können“, beschreibt Gerhard Klicka die aktuelle Zuspitzung der Personalsituation. Der Geschäftsführer von Österreichs größtem Dienstleister auf dem Gebiet des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (über 170 Mitarbeiter) verweist auf weite Regionen in Oberösterreich, Vorarlberg, Tirol, Salzburg, in denen Unternehmen – entgegen dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – keine arbeitsmedizinische Betreuung mehr haben. Auch die Neukundenakqusition wurde von vielen Dienstleistern mangels Personalkapazitäten eingestellt.

Verdrängungswettbewerb

„Das ist kein IBG- sondern ein nationales Problem“, unterstreicht Klicka. Addiert man den wachsenden ÄrztInnenmangel im niedergelassenen Bereich, sind in den kommenden Jahren gravierende Versorgungsprobleme im Gesundheitsbereich zu erwarten. Klicka: „Von Kammern und Ministerien wird das Problem negiert. Aber wir kämpfen damit tagtäglich.“

Das ist die IBG

IBG ist mit über 170 MitarbeiterInnen und sechs Standorten in ganz Österreich das größte Unternehmen für betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement in Österreich und betreut mehr als 570 Betriebe und 55.000 ArbeitnehmerInnen (Stand 2015) unterschiedlichster Branchen und Unternehmensgrößen.

Die Bandbreite reicht von großen Betriebsambulanzen direkt am Werksgelände, wie im Chemipark Linz bis hin zu regelmäßigen Betreuungsterminen vor Ort. IBG betreibt in Summe drei arbeitsmedizinische Zentren, beschäftigt über 70 ÄrztInnen, viele ArbeitspsychologInnen, ErgonomInnen, SicherheitsingenieurInnen, ChemikerInnen, BetriebswirtInnen und VerwaltungsmitarbeiterInnen und ist seit 1995 in der betrieblichen Praxis tätig.

 

Hintergrund

Personalnotstand

Zur Arbeitsmedizin gibt es mehrere Ausbildungsschienen. Neben dem Sonderfach (u.a. publiziert als einer der Fachrichtungen auf der Homepage der Statistik Austria) gibt es noch die „alte Bewilligung“ (vom BMin. für Gesundheit) sowie (am bedeutendsten) das ÖÄK-Diplom. Zwischen den drei Berechtigungsarten gibt es aber einige Überschneidungen (d.h. Ärzte die mehrere Berechtigungen haben).

Das Gesamtbild der einzelnen Bereiche – bereinigt um die Überschneidungen – zeigt die folgende aktuelle Statistik der Ärztekammer Österreich.

 

Auswertung 03.10.2016
Aktive ÄrzteÖBKSSTTVW
FA f. Arbeits- und Betriebsmedizin11003132351912332
ÖÄK-Diplominhaber Arbeitsmedizin2.01646100329418166230171100456
Arbeitsmediziner10711325158111726
1 – 3 ohne Doppelzählung2.14146113356435170246174106495
davon Männer1.1102759176236951369860223
davon Frauen1.0311954180199751107646272

Quelle: Ärztekammer Österreich

 

Arbeitsmedizin ohne Arbeitsmediziner?

Mangel an Arbeitsmedizinern bringt Unternehmen in die Zwickmühle

Oberösterreich ist als Industriebundesland besonders vom Mangel betroffen. Unternehmen im Zwiespalt zwischen Gesetz und Ärztemangel.

Allein im Industrie-Bundesland Oberösterreich könnte man sofort „20 oder mehr Arbeitsmediziner einstellen“, sagt Gerhard Klicka im Gespräch mit den OÖNachrichten. Er ist Geschäftsführer bei Österreichs größtem Dienstleister des Betrieblichen Gesundheitsmanagements IBG, der 570 Betriebe und 55.000 Arbeitnehmer betreut. IBG sucht händeringend wie die anderen Anbieter nach Arbeitsmedizinern – meist vergeblich. „Der Teich ist leer gefischt.“ Den akuten Mangel an Nachwuchs in diesem Bereich bestätigt auch der Präsident der oö. Ärztekammer, Peter Niedermoser. „Aufgrund des allgemeinen Ärztemangels herrscht hier ein Verdrängungswettbewerb.“

„Wir müssen Unternehmen kündigen, weil wir sie aus Personalmangel nicht mehr arbeitsmedizinisch betreuen können“, warnt Klicka vor einem gravierenden Versorgungsproblem. Die Unternehmen selbst sind einigermaßen in der Zwickmühle. Sie sind aufgrund des ArbeitnehmerInnenschutz-Gesetzes verpflichtet, entweder (ab 50 Mitarbeiter) Arbeitsmediziner ins Unternehmen zu holen oder die Dienstleistung bei der AUVA zu beziehen. Derzeit müssen Unternehmen de facto keine Konsequenzen fürchten, solange sie nachweisen können, sich tatsächlich um einen Arbeitsmediziner bemüht zu haben, bestätigt auch das Bundes-Arbeitsinspektorat in Wien. „Wir wählen da eine sehr pragmatische Vorgangsweise.“

Dilemma Gesetz – Praxis

Das Dilemma zwischen gesetzlicher Vorschrift und gelebter Praxis werde von Kammern und Ministerien schlicht negiert, klagt Klicka. „Aber wir kämpfen tagtäglich damit.“ Er fürchtet aufgrund des Mangels an Arbeitsmedizinern steigende Preise für diese. Er erwartet, dass es für die Betriebe „massiv teurer“ wird.

Um junge Arbeitsmediziner zu gewinnen, geht IBG neue Wege: Die Organisation versucht mit dem Lockmittel von familienfreundlichen Arbeitszeiten und modernen Aufgaben wie Prävention, Turnusärzte abzuwerben und ihnen gegen eine dreijährige Verpflichtung die Ausbildungskosten zur Arbeitsmedizin zu bezahlen.

AutorInnen

Ulrike Rubasch, OÖ Nachrichten

 

Alka Lechner, H&M | IBG Referenzen

Hennes & Mauritz (H&M)

»Im Rahmen der Evaluierung wollen wir
die MitarbeiterInnen langfristig entlasten.«

Interview mit Alka Egger, Human Resources Managerin des Modeunternehmens Hennes & Mauritz in Österreich

Welche Maßnahmen setzt H&M zur Gesundheitsförderung der MitarbeiterInnen?
Neben der langjährigen und österreichweiten ASchG-Betreuung durch unsere IBG ExpertInnen setzen wir seit 1998 jedes Jahr unterschiedliche Schwerpunkte im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Basis dieser Arbeit ist unser internes BGF-Projekt »Feel Good«, wo wir Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation in Abhängigkeit der wirtschaftlichen und strukturellen Gegebenheiten in allen Filialen erarbeiten und koordinieren. Durch die Integration der Arbeitspsychologie zur klassischen ASchG-Betreuung gelingt es uns zudem, ein ausgewogenes und umfassendes Angebot an unsere MitarbeiterInnen zu richten, um uns gemeinsam erfolgreich den Herausforderungen des Arbeitsalltags im Handel zu stellen.

Das arbeitspsychologische Beratungsservice steht unseren MitarbeiterInnen sowohl in beruflichen als auch bei privaten Notfällen (z.B. Überfall, Trauerbewältigung) zur Verfügung. In den letzten Jahren haben wir unter anderem Themen wie Stress, Umgang mit herausforderndem  Kundenservice und Rückenworkshops angeboten. Abgesehen davon sind uns individuelle Lösungen und Angebote für unsere MitarbeiterInnen besonders wichtig.

Warum haben Sie sich für die Evaluierung der psychischen Belastungen mittels Psychosozialem Belastungsmodul (PBM) entschieden?
Es war uns ein Anliegen ein Tool einzusetzen, das wissenschaftlich validiert und in der Praxis gut anwendbar ist. Wir haben die Evaluierung diesen Herbst abgeschlossen und arbeiten derzeit an Lösungen für die Optimierung der Arbeitsbedingungen. Mithilfe der Ergebnisse werden unsere Personalabteilungen der einzelnen Areas in der Lage sein gezielte Maßnahmen zu erarbeiten und den evaluierten psychischen Belastungen entgegenzuwirken.

Spielen körperliche Belastungen eine wesentliche Rolle in der Arbeit bei H&M?
In manchen Bereichen, vor allem im Lager, können körperliche Belastungen immer wieder Thema sein. Daher haben wir uns im Frühjahr dazu entschieden neben den psychischen auch die physischen Belastungen zu evaluieren. Gut gelungen ist das mit der Leitmerkmalmethode und der individuellen Analyse von Bewegungsabläufen. Auf Basis der Ergebnisse konnten wir so gezielte Sensibilisierungsmaßnahmen für die MitarbeiterInnen setzen, Bewegungsalternativen finden und entsprechende Bewegungsinputs und Übungsprogramme erstellen.

Foto: H&M

Daniele Wakefield, Hilton Hotel | IBG Referenzen

Hilton Hotels Österreich

Meinung von Außen:

Daniela Wakefield

Director of Human Resources der Hilton Hotels Österreich

Hilton Hotels Wien und Innsbruck haben sich in der Hotellerie einen Namen für stilvolle Gastlichkeit erworben, der zukunftsorientiert und weltweit führend ist. Über Bälle, Hollywood-Award-Galas bis hin zu Business Events und unvergesslichen Erlebnissen – Hilton ist der Ort, an dem Geschichten geschrieben und Geschäfte abgeschlossen werden.  Mehr als 510 MitarbeiterInnen schaffen ein Ambiente in Österreich, in dem sich jeder Gast umsorgt, geschätzt und respektiert fühlen kann und soll. Hiltons Vision: Die Welt mit dem Licht und der Wärme echter Gastfreundschaft zu erfüllen.

Um unseren Gästen in Österreich bestmögliche Performance bieten zu können, ist es uns ein Anliegen, dass unsere Belegschaft motiviert und engagiert bleibt. Denn unsere Kernkompetenz ist und bleibt das Service an unseren KundInnen. Als HR-Direktorin sehe ich es daher als meine Aufgabe und auch als Pflicht, unsere MitarbeiterInnen bestmöglich zu fördern und zu unterstützen, damit sie gerne und gut gerüstet für unser Unternehmen tätig sein können.

Im Rahmen der ASchG-Betreuung gibt es viele Möglichkeiten, die Gesundheit zu stärken und so wollen wir in Zusammenarbeit mit IBG möglichst viele unterschiedliche Themen in unseren Häusern in Wien und Innsbruck anbieten. Für dieses Jahr haben wir die Schwerpunkte auf Venenmessungen, Sehtests und Impfaktionen gelegt. Die ergonomischen Aspekte sollten zudem Teil unseres Jahresplans sein. So haben wir aufgrund der vielen Bildschirmarbeitsplätze regelmäßige Untersuchungen mittels medimouse aber auch eine Bewegungsberatung eingeführt, um gerade dem für ein Hotel so wichtiges Thema „Heben und Tragen“ ausreichend Raum zu geben.

Die Belegschaft ist unser Kapital
Nicht nur um dem Gesetz Genüge zu tun, sondern auch um möglichst alle Bereiche der Gesundheit berücksichtigen zu können, war es uns wichtig auch die psychosoziale Ebene miteinzubeziehen. Die für heuer geplante Evaluierung der psychischen Belastungen soll uns dabei helfen zu prüfen, ob arbeitsbedingte physische und psychische Belastungen vorliegen, die zu Fehlbeanspruchungen führen können. Derzeit befinden wir uns mitten in der Erhebungsphase.

Die mittels Online-Fragebogen ermittelten Ergebnisse werden anschließend in Kombination mit den Erfahrungen aus den arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Begehungen die Basis für neue Themen im kommenden Jahr bilden und ins Betreuungsprogramm 2016 einfließen.

Foto: Hilton Austria

Coca Cola Hellenic | IBG Referenzen

Coca-Cola Hellenic

Im September 2013 startete Coca-Cola Hellenic Österreich in Kooperation mit IBG das vom FGÖ geförderte Betriebliche Gesundheitsprojekt FEEL GOOD für seine rund 1.000 MitarbeiterInnen an allen Standorten in Österreich. Der Schwerpunkt des Projekts lag und liegt in der Prävention der psychischen Belastungen.

In mehreren Visionsworkshops mit der Steuergruppe und allen Führungskräften wurden zu Projektbeginn die langfristigen Ziele gesundes Arbeiten, wertschätzendes Miteinander, Begeisterung und Identifikation mit dem Unternehmen, freundliche und kommuni-kationsfreundliche Räumlichkeiten sowie gesunde Prozesse erarbeitet.

Im Anschluss an diverse Kick off Veranstaltungen wurden alle MitarbeiterInnen und Führungskräfte mit dem Human Work Index (HWI®) und dem Psychosozialen Belastungsmodul (PBM2) befragt, wobei zusätzliche Fragen zum Burnout Risiko sowie zu bereits laufenden Gesundheitsangeboten in die Befragung integriert wurden. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden vertiefende Analysen durchgeführt sowie gemeinsam mit Führungskräften und MitarbeiterInnen Lösungen erarbeitet.

Seit 2014 wurde intensiv an der Umsetzung standort- und bereichs-spezifischer sowie an österreichweiten Maßnahmen gearbeitet – und die Ergebnisse können sich sehen lassen: Im Vergleich zur Erstbefragung konnten signifikante Verbesserungen in allen Dimensionen erzielt werden! Von den im Psychosozialen Belastungs-modul erhobenen Dimensionen konnten die Arbeitsumgebung um 13 Prozent, das Organisationsklima um 8 Prozent, die Arbeitsabläufe sowie die Tätigkeiten um je 5 Prozent verbessert werden. Bezogen auf den HUMAN WORK INDEX® ergaben diese Veränderungen einen Zuwachs des Arbeitsvermögens um beachtliche 4 Prozent, mit Steigerungen in der Arbeitsbewältigung um 4 Prozent, in der beruflichen Sinnfindung um 5 Prozent und in der Zusammenarbeit um 6 Prozent. Selbst das Burnout Risiko konnte um 11 Prozent reduziert werden.

Um diese positive Entwicklung fortzusetzen und nachhaltiges Gesundheitsmanagement als fixen Bestandteil der Unternehmenskultur bei Coca-Cola Hellenic Österreich zu etablieren, werden in nächster Zeit noch weitere Gesundheits-koordinatorInnen ausgebildet sowie neue Maßnahmenschwerpunkte auf Basis der aktuellen Ergebnisse und unter Berücksichtigung der bisherigen Learnings und Erfolge gesetzt. „Man sieht, dass die Schwerpunkte von FEEL GOOD, die aufgrund der Befragung 2013 gesetzt wurden, Früchte getragen haben. FEEL GOOD ist ein dynamischer Prozess, der auch in Zukunft weitergeführt wird“, so Susanne Lontzen, interne Projektleiterin bei Coca-Cola Hellenic Österreich.

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