IBG Arbeitsmedizin

IBG-Gastkommentar in »DerStandard«

Wir brauchen mehr Personal in der Arbeitsmedizin

Die Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz soll dem Mangel an Arbeitsmedizinern entgegenwirken. Die Änderungen sind aber nicht mehr als ein erster Schritt. Um den Personalmangel im Bereich der Arbeitsmedizin zu entschärfen, sind weitere Maßnahmen nötig.

Unsere Branche der Gesundheitsdienstleister verfügt über zu wenig Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner (Amed). Das hat spürbare Konsequenzen: Immer mehr österreichischen Unternehmen ist es unmöglich, die arbeitsmedizinische Betreuung in den Betrieben zu gewährleisten.

Nach jüngsten Berechnungen der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention (AAMP) ist für 2028 ein personeller Fehlbestand von rund 880 Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmedizinern zu erwarten – bei einem Gesamtbedarf von 1500 Personen. Dies bedeutet, dass uns bei unveränderter Entwicklung in sechs Jahren 60 Prozent des arbeitsmedizinischen Personals fehlen werden.

Neues Berufsbild

Über viele Legislaturperioden blieben unsere Warnungen ungehört. Jetzt hat der Gesetzgeber ein wichtiges Zeichen gesetzt. Am 1. Juli 2022 ist eine umfassende Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) rückwirkend in Kraft getreten.

Kernpunkt der Gesetzesvorlage ist die Einführung des „arbeitsmedizinischen Fachdienstes“ (AFa). Der neue Berufsstand soll die Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner in ihrer täglichen Beratungs-, Betreuungs- und Präventionsarbeit entlasten. Die Überlegung dabei: Der akademisierten Ausbildung der Amed mit sechs Jahren Studium, drei bis sechs Jahren Fachausbildung und einem mehrmonatigen Speziallehrgang wird ein ebenfalls hochqualifizierter, aber mit kürzerer Ausbildungszeit versehener Assistenzberuf zur Seite gestellt. Damit soll der berufliche Zugang in die Branche des Arbeitnehmerschutzes und des betrieblichen Gesundheitsmanagements attraktiver werden.

Die Novelle fordert für den arbeitsmedizinischen Fachdienst unter anderem eine abgeschlossene Ausbildung an einer anerkannten Akademie für Arbeitsmedizin und eine zumindest zweijährige Berufserfahrung in bestimmten Gesundheitsberufen. Besonders angesprochen werden Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflege.

Es werden aber auch Mitarbeiterinnen der verschiedensten medizinisch-technischen Dienste gesucht – vom medizinisch-technischer Laboratoriumsdienst über den ernährungsmedizinischen Beratungsdienst bis hin zum orthoptischen Dienst (siehe § 82 c (2) ASchG). Im Gesetzestext werden die Kompetenzen des Fachdienstes eingängig bestimmt: Die Erstbegehung in Arbeitsstätten bleibt immer den Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmedizinern vorbehalten. Mitglieder des Fachdienstes sind berechtigt, weitere regelmäßige Begehungen von Kleinbetrieben (bis 50 Arbeitnehmer) durchzuführen, sofern in der Arbeitsstätte nur Büroarbeitsplätze oder Arbeitsplätze mit vergleichbar geringer Gefahrenlage eingerichtet sind. Dabei dürfen die Präventionsstunden bis zu 30 Prozent der arbeitsmedizinischen Präventionszeit pro Jahr angerechnet werden.

Ungelöste Probleme

Die Gesetzesnovelle verspricht für den Arbeitnehmerschutz und die betriebliche Gesundheitsprävention in Österreich eine Verbesserung der Mangelsituation – aber sie wird das Problem nicht lösen können. Daher empfehlen wir dringend, Ärztinnen und Ärzten, die in einer arbeitsmedizinischen Fachausbildung stehen, bereits im Rahmen des arbeitsmedizinischen Fachdienstes arbeiten zu lassen.

Aktuell dürfen die Ärztinnen und Ärzte während der neunmonatigen Fachausbildung in keiner Form eingesetzt werden. Ich bin überzeugt, dass dies zu einer deutlich höheren Verweilrate in der Fachrichtung der Arbeitsmedizin führen wird. Bislang bleiben lediglich 51 Prozent der Absolventen der arbeitsmedizinischen Akademien mit ius practicandi nachhaltig in der Fachrichtung aktiv. Diese Quote gilt es, dringend zu steigern.

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