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Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz stärken

Psychische Erste Hilfe als Teil der Unternehmenskultur.
Nach wie vor sind Depressionen eine der häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit, zudem steigt die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen seit Jahrzehnten. Unternehmen sehen sich deshalb immer häufiger mit psychosozialen Krisen bzw. dem Erleben außergewöhnlicher psychischer Belastungen konfrontiert. Führungskräfte sind oft erste Ansprechpersonen bei psychischen Belastungen von Mitarbeitenden, stehen aber auch selbst unter großem Druck.

Obwohl psychische Gesundheit zunehmend mehr Beachtung findet und es in Unternehmen immer selbstverständlicher wird, sich damit auseinanderzusetzen, gibt es noch Nachholbedarf beim Verständnis und Wissen zu diesem Thema sowie bei der Sicherheit im Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitenden. Während körperliche Gebrechen im Normalfall für andere sichtbar sind, ist ein psychisches Problem von außen oft kaum bis gar nicht zu erkennen.

Psyche: Immer noch ein Tabuthema

Menschen mit psychischen Erkrankungen erfahren deshalb am Arbeitsplatz oft Stigmatisierung. Ihnen wird beispielsweise die Schuld an ihren psychischen Problemen selbst zugeschrieben. Auch ist es für viele Menschen immer noch ein Tabu, über psychische Belastungen oder Probleme zu sprechen. Dadurch wird eine rechtzeitige und konstruktive Intervention, auch seitens der Führungskraft, oft verhindert.

Prävention: Die Arbeitspsychologie liefert Antworten

Prävention wird daher immer wichtiger – nicht zuletzt durch Fortbildung und Sensibilisierung. Doch wie reagiert man professionell, wenn sich bei Mitarbeiter:innen oder Kolleg:innen psychische Überlastungserscheinungen oder „Auffälligkeiten” bemerkbar machen? Welche Reaktionen sind angemessen? Wofür sind Unternehmen verantwortlich bzw. zuständig? Wie kann das Thema „richtig” angesprochen und damit umgegangen werden? Welche Präventionsmöglichkeiten gibt es?

Mit diesen Fragen beschäftigen sich Unternehmen zurecht. Die Arbeitspsychologie liefert Antworten und Hilfestellung. Körperliche Erste-Hilfe-Kurse sind für Unternehmen längst selbstverständlich. Genauso wichtig ist es jedoch auch, psychische Erste Hilfe zu lernen, um in emotionalen Ausnahmesituationen Stabilität, Orientierung und Sicherheit geben zu können.

Schulungen für mentale Ersthelfer:innen

Jeder kann psychische Erste Hilfe leisten. Ein offenes Ohr und aktives Zuhören können Menschen Stabilität und Sicherheit bieten und somit ihr Leben positiv beeinflussen. Im Rahmen eines modernen Betrieblichen Gesundheitsmanagements lassen deshalb immer mehr Unternehmen – neben Sensibilisierung und Schulungen der Führungskräfte – auch Mitarbeiter:innen zu sogenannten mentalen Ersthelfer:innen ausbilden. Diese können ihren Kolleg:innen als vertrauliche, unparteiische Erstkontakte behilflich sein.
In diesen Schulungen und Trainings soll es neben einem Überblick über psychische Erkrankungen auch um grundlegende praktische Erste-Hilfe-Maßnahmen bei mentalen Problemen gehen.

Warnsignale frühzeitig wahrnehmen

Das Ziel besteht darin, Führungskräfte und Mitarbeiter:innen zu befähigen, Warnsignale (bei anderen sowie bei sich selbst) frühzeitig wahrzunehmen. Sie sollen wissen, wie sie diese am besten ansprechen können und welche arbeitsbezogene Unterstützung (z. B. Entlastung, flexible Arbeitsgestaltung) sowie interne und externe Hilfsangebote es gibt, um aus psychischen Krisen wieder herauszufinden. Dabei ist es wichtig, auch die eigenen Grenzen anzuerkennen und in seiner Rolle zu bleiben. Es geht nicht darum, zu therapieren!
Bei der Erkennung psychischer Erkrankungen sind die Art des Leidens und die Zeitspanne wichtige Beobachtungsmerkmale. Ein paar schlechte Tage zu haben, ist ganz normal. Wenn es einem aber zwei Wochen oder länger schlecht geht, man Menschen oder Aktivitäten meidet oder psychosomatische Symptome belasten (Schlafprobleme, Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen, Herzrasen etc.), dann sollte man sich Hilfe holen.

Beobachten, ansprechen, unterstützen

Gerade beim Ansprechen – im Sinne von: frühzeitig und empathisch das Gespräch suchen, ohne zu diagnostizieren, sondern sich zu trauen, seine Beobachtungen auszusprechen – sind das Wissen um die richtigen Worte sowie das Üben in einem geschützten Rahmen („Trockentraining”) hilfreiche Werkzeuge.
Nach dem Motto: Beobachten, ansprechen, unterstützen – aber nicht therapieren! Vergleichbar mit der medizinischen Ersten Hilfe ist es auch bei der psychischen Ersten Hilfe wichtig, zu lernen und durchzuspielen, was man im Krisenfall sowie in psychischen Notfällen selbst tun kann, ohne sich zu überfordern oder Grenzen zu überschreiten. Das Erstellen und Durchgehen eines Sofort-Hilfe-Plans, beispielsweise im Falle einer Panikattacke eines Mitarbeitenden, gibt Sicherheit und hilft dabei, in dieser Situation ruhig und empathisch handeln zu können. Auch zu wissen, was im Falle einer vermuteten Suizidgefährdung oder psychosozialen Krise zu tun ist, ist ein wichtiger Bestandteil der Schulung.

Der Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitenden erfordert neben Sensibilität und Empathie eine klare Strategie sowie eine Unternehmenskultur, die Offenheit, Unterstützung und Resilienz fördert.
Am Arbeitsplatz sind eine gute Führung und Arbeitsorganisation sowie eine Unternehmenskultur, die sich auf Kommunikation und Zuhören konzentriert, eine gute Prävention für die psychische Gesundheit.